Neuerscheinungen

Neuerscheinungen

Die Rubrik stellt laufend neue wissenschaftliche Monographien und Editionen zu Hofmannsthal vor.


2023


Irma Duraković: TraumLeben. Traumpoetiken der Wiener Moderne. Würzburg: Königshausen & Neumann 2023. (Phil. Diss. Wien 2017)
[236 S., ISBN: 978-3-8260-7701-2, 44,00 €]

Ausgehend von Hofmannsthals Bemerkung, der Dichter sei der „große Träumende im aktiven Sinn“, nimmt Irma Duraković in ihrer Wiener Dissertation ein für die Wiener Moderne charakteristisches poetisches Verständnis des Traumes in den Blick, das sie eng verknüpft sieht mit dem Akt der dichterischen Schöpfung und Phantasie. Beispielhaft untersucht wird dies an Prosatexten von Richard Beer-Hofmann, Eugenie delle Grazie sowie Hofmannsthal, in diesem Fall an der Erinnerung schöner Tage, dem Märchen der 672. Nacht und der Soldatengeschichte. In Hofmannsthals Erzählungen macht sie Verfahren „traumhafter Darstellung“ insbesondere in der Konstruktion unrealistischer und labyrinthischer Räume aus, die sich zu Erinnerungs- und Seelenräumen wandeln.

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2022


Hugo von Hofmannsthal: Reden und Aufsätze 4 [1920–1929]. Hrsg. von Jutta Rißmann, Mathias Mayer, Ellen Ritter und Katja Kaluga. Frankfurt a.M.: S. Fischer 2022. (Sämtliche Werke XXXV)
[1.600 S., ISBN: 978-3-10-731535-2, 325,00 €]

Der letzte Band der Band Kritischen Hugo von Hofmannsthal-Ausgabe, mit dem das Projekt nach 55 Jahren abgeschlossen wird, versammelt Reden und Aufsätze der Jahre 1920 bis 1929. Es handelt sich um insgesamt knapp 120 Texte einschließlich 15 Aufsatzplänen aus dem Nachlass. Im Zentrum steht berühmte Rede Das Schrifttum als geistiger Raum der Nation (1927), Hofmannsthals tastender Versuch einer Kulturdiagnose in einer Zeit der Umbrüche. Ferner enthält der Band Schriften zu Theater und Literatur in ihren historischen und aktuellen Ausprägungen, einen wichtigen Text zum Kino, mehrere Programmschriften für die Salzburger Festspiele sowie Reiseessays (Reise im nördlichen Afrika, Sizilien und wir). Bemerkenswert sind auch fünf Berichte aus dem Wiener Kulturleben, die für die amerikanische Zeitschrift The Dial entstanden und in denen sich Hofmannsthal u.a. zu Sigmund Freud äußert. Der Apparat dokumentiert die Entstehung der Texte, Vornotate und bietet einen ausführlichen Stellenkommentar.

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2021


Martin Hollmann: Poetik des Religiösen in den späten Komödien Hugo von Hofmannsthals. Berlin u.a.: Peter Lang 2021 (= Norwegische Beiträge zur Germanistik, Bd. 4). (Phil. Diss. Berlin 2020)
[236 S., ISBN 9783631844373, 49,95 €]

In seiner Dissertation analysiert Martin Hollmann Hofmannsthal ‚Poetik des Religiösen‘ als Reflexion der krisenhaft erfahrenen Moderne. Wie der Religionssoziologe Emile Durkheim suche auch Hofmannsthal nach dem (kultur-)anthropologischen Wesen von Religion. Hollmann zeigt dies exemplarisch an der Ehe-Thematik der späten Lustspiele auf, in denen die verbindlich-ordnungsstiftende Kraft – und damit das Religiöse – der Ehe zur Diskussion steht. Im Lustspiel Der Schwierige wird die Krise des tradierten religiösen Symbolsystems daran deutlich, dass sich die Figuren selbst über den religiösen Urgrund ihres Lebens verständigen müssen. Im Verlauf dieses Prozesses wird die Verbindlichkeit der Ehe dann anthropologisch neu begründet: als ‚das Soziale‘ und ‚höhere Notwendigkeit‘. Im Unbestechlichen tritt der Bezug auf die christliche Religion in Gestalt des Theodor wieder stärker hervor. Allerdings kann dessen Intrige nach Hollmanns Lesart nur gelingen, weil sie bei Jaromir eine anthropologische Kraft, die Erfahrung und Erkenntnis des ‚Sozialen‘, anregt.

Leseprobe und Inhaltsverzeichnis


Marco Rispoli: Hofmannsthal und die Kunst des Lesens. Zur essayistischen Prosa. Göttingen: Wallstein 2021.
[358 S., ISBN 978-3-8353-3925-5, als E-Book: 26,99 €; gebunden: 34,00 €]

Über die Besonderheit Hofmannsthals, der mit Lust das Eigene in ein Netz von Zitaten und Anspielungen einzuweben versteht, und wie kein zweiter als „produktiver Leser“ gilt, herrscht ein weitläufiger Konsens. Rispoli hinterfragt nun erstmals die Gründe für diese Besonderheit. Im Vordergrund dieser Untersuchung steht die Frage, welchen Zweck und Stellenwert das Lesen und ein rezeptiver Umgang mit Kunstwerken in Hofmannsthals poetologischen Reflexionen, in seinen Reden, Aufsätzen und Dialogen einnimmt. Der erste Teil ist der frühen Essayistik gewidmet und bildet den historischen Rahmen des Problems, der dritte Teil wendet sich Hofmannsthals späten Versuchen zu, ein einheitliches Publikum durch theatralische Arbeiten oder mittels einer regen Herausgebertätigkeit zu bilden. Der Schwerpunkt liegt allerdings auf dem mittleren Abschnitt, der einige Prosatexte aus dem ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts untersucht, in denen das Lesen zum zentralen Gegenstand der Reflexion wird. Kaum ein Autor habe sich mit diesem Thema so intensiv beschäftigt wie Hofmannsthal, dabei changieren seine Aussagen zwischen Einflussangst und Einflussfreude. Die Studie verfolgt die Entwicklung seiner Reflexion von der Idee einer kreativen Kunst des Lesens bis hin zur späteren Suche nach einer überindividuellen literarischen Sozialität. Stetig versuche Hofmannsthal dabei, die strikte Trennung zwischen Dichter und Leser in Frage zu stellen, um dem Literarischen eine gemeinsame, für das menschliche Leben wesentliche Bedeutung zu sichern.

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Barbara Beßlich: Das Junge Wien im Alter. Spätwerke (neben) der Moderne (1905–1938). Wien: Böhlau 2021.
[408 Seiten, ISBN: 978-3-205-21239-3, als E-Book: 44,99 €, gebunden: 55,00 €]

In einer Reihe von Einzelstudien untersucht Barbara Beßlich ‚späte‘, v.a. in den zehner und zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts entstandenen Werke der Autoren, die Ende des 19. Jahrhunderts dem Jungen Wien zugerechnet wurden. Dabei nimmt sie vor allem weniger bekannte Texte in den Blick. Auch nach 1905, so ihre These, lassen sich im Schreiben dieser Gruppe noch Gemeinsamkeiten erkennen. Die ehemaligen Jungwiener hätten sich keineswegs von Zeitproblemen und neuen ästhetischen Tendenzen abgeschottet, sondern diese aus einem für sie charakteristischen Traditions- und Spätzeitbewusstsein heraus amalgamiert. Für Hofmannsthal zeigt sie dieses „kreative Traditionsverhalten“ an dessen Komödien-Fragment Timon der Redner auf.

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Hugo von Hofmannsthal, Alfred Roller, Richard Strauss: „Mit dir keine Oper zu lang…“. Briefwechsel. Herausgegeben und kommentiert von Christiane Mühlegger-Henhapel und Ursula Renner. München, Salzburg: Benevento 2021.
[592 Seiten, ISBN: 13 9783710901270, 58,00 €]

Alfred Roller war nicht nur der bedeutendste Bühnen- und Kostümbildner der Wiener Moderne, sondern hatte mit seinen Ausstattungen auch einen nicht zu unterschätzenden Anteil am Bühnenerfolg von Hofmannsthals Theatertexten. Anhand dieses ausführlich kommentierten doppelten Briefwechsels, der auch zahlreiche Abbildungen von Rollers Bühnen- und Kostümentwürfen enthält, lässt sich die Entwicklung der Kooperation zwischen Hofmannsthal und Roller sowie Hofmannsthal, Strauss und Roller – und indirekt auch die aller drei mit Max Reinhardt – detailliert verfolgen. Im Sprechtheater beginnt sie mit Reinhardts Berliner Inszenierungen von Ödipus und die Sphinx (1906) und Jedermann (1911), im Musiktheater mit der Wiener Elektra-Inszenierung (1909), auf die eine Reihe gemeinsam verantworteter Opernaufführungen vom Rosenkavalier (1911) bis zur Ägyptischen Helena (1928) folgte. Durch seine hier erstmals edierten Briefe wird Roller als Künstler erkennbar, der Hofmannsthals Stimmungsästhetik kongenial umzusetzen vermochte. Darüber hinaus erhält man durch sie interessante Einblicke in theaterhistorische und -organisatorische sowie kulturpolitische Kontexte, etwa die Gründung der Salzburger Festspiele.

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2020


Christine von Lossau: „Nachdenklichkeit bleib stets bei mir“. Die Ambivalenz der Melancholie in Hugo von Hofmannsthals Werk. Baden-Baden 2020. (Phil. Diss. Freiburg i. Br. 2019)
[591 Seiten, ISBN: 978-3-96821-640-9, 118,00 €]

Hofmannsthal hat sich zu verschiedenen Zeitpunkten mit der Idee der ‚schöpferischen Melancholie‘ – von der Antike über Robert Burton und John Milton bis zu Walter Benjamin – auseinandergesetzt, die u.a. in den Jedermann und den Turm eingeflossen sind. Christine von Lossau geht diesen Spuren in ihrer umfangreichen Dissertation nach, beschränkt sich jedoch nicht auf Hofmannsthals Rezeption theoretischer Texte. Vielmehr begreift sie Melancholie „als ambivalentes und intermedial angelegtes Diskusphänomen“, das in seinem Gesamtwerk einschließlich der Fragmente auf verschiedenen Ebenen zu beobachten ist. Sie untersucht es an seiner Bezugnahme auf schwermütige Figuren der Weltliteratur – Hamlet, Pierrot, Misanthrop –, an seiner Rezeption zeitgenössischer medizinisch-psychologischer Diskurse über die mit der Melancholie assoziierten Krankheiten der Hypochondrie, Depression und Neurasthenie sowie, im letzten Kapitel, an seiner Verarbeitung unterschiedlicher melancholischer Motive aus Musik, Tanz und Bildender Kunst, etwa der arkadischen Landschaft oder der Figur des Reisenden. Hofmannsthals Auseinandersetzung mit der Melancholie-Tradition erweist sich dabei als eng verbunden mit seiner ästhetisch-poetologischen Reflexion sowie der ausgeprägten Intertextualität und Intermedialität seines Werkes.

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Agnes Hoffmann: Landschaft im Nachbild. Imaginationen von Natur in der Literatur um 1900 bei Henry James und Hugo von Hofmannsthal. Baden-Baden 2020. (Phil. Diss. Basel 2016)
[356 Seiten, ISBN: 978-3-96821-004-9, 69,00 €]

Trotz der Vorliebe für das Künstliche verliert die Landschaft in der Literatur der Jahrhundertwende nichts von ihrer Faszinationskraft. Durch die Malerei geprägte Traditionen pittoresker oder romantisch-erhabener Landschaften wirken weiter, werden jedoch selbstreflexiv gebrochen. Agnes Hoffmann zeigt dies in ihrer komparatistischen Dissertation an ausgewählten Texten von Henry James und Hugo von Hofmannsthal auf, die sie mit den Landschaftsdiskursen jener Zeit kontextualisiert. Bei Hofmannsthal untersucht sie den Zusammenhang von Landschaftsbild und ästhetischer Reflexion zum einen an Der Tor und der Tod, Das Dorf im Gebirge und Der Geiger vom Traunsee, wo die charakteristische Rahmungskonstruktion jeweils mit der Thematisierung der Innen-Außen- bzw. Kunst-Leben-Relation verknüpft ist. Zum anderen nimmt sie die kulturgeschichtlich anspielungsreiche Reiseprosa – Südfranzösische Eindrücke, Sommerreise, Augenblicke in Griechenland – in den Blick, in der die „Sehnsucht nach landschaftlicher Ferne“ mit der „Sehnsucht nach dem gelungenen Kunstwerk“ korrespondiert. Im abschließenden Kapitel zu den Briefen des Zurückgekehrten diskutiert sie das spannungsvolle Verhältnis von Hofmannsthals ‚epiphanischer Landschaftsschau‘ und Josef Nadlers Kulturraum-Konzept.

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Martin Bartelmus: Cultural Born Killers. Poetologie(n) des Tötens um 1900. Würzburg 2020. (Phil. Diss. Düsseldorf 2019)
[374 Seiten, ISBN: 978-3-8260-6935-2, 39,80 €]

Im Beschreiben und Erzählen von Tötungsereignissen würde, so der Ausgangspunkt von Martin Bartelmus’ poststrukturalistisch orientierter Dissertation, die Differenz von Natur und Kultur und damit zugleich das Verhältnis von nicht-menschlicher und menschlicher Sprache verhandelt. Die poetologischen Implikationen dieser Konstellation untersucht er in drei längeren Kapiteln auch an Texten Hofmannsthals, nämlich am Gespräch über Gedichte, der Reitergeschichte und an Dämmerung und Nächtliches Gewitter. Dabei entwickelt er die These, dass Ereignisse des Tötens die ‚Art und Weise des Sprechens und Schreibens‘ verändern. Im Gespräch über Gedichte zeige sich dies an der Restitution der poetischen Sprache im Rekurs auf den Opfermythos.

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2019


Stefan Kleie: Der Rosenkavalier und die Spektakelkultur der Moderne. Werkpolitik, Rezeption, Analysen. Dresden: Thelem 2019. (Phil. Diss. Basel 2011)
[360 Seiten, ISBN: 978-3-95908-492-5, 39,80 €]

Die Uraufführung des Rosenkavalier an der Dresdener Hofoper am 26.1.1911 wurde seinerzeit als sensationelles Ereignis wahrgenommen. Stefan Kleie analysiert sie als Beispiel einer für die Moderne charakteristischen Spektakelkultur, in der sich avancierte literarische und musikalische Ästhetik auf neuartige Weise mit Unterhaltungs- und Geschäftsinteressen mischte. Dazu rekonstruiert er in einzelnen Kapiteln detailliert die Planung und Umstände sowie das breite Presseecho der Uraufführung. Ein weiteres Kapitel untersucht Hofmannsthals ambivalentes Verhältnis zur modernen Spektakelkultur an seinen Aufsätzen zur Rezeptionslenkung. Versuchte er 1911 literarischen Anspruch und spektakuläre Wirkung noch positiv miteinander zu verbinden, unterstützte er nach dem Ersten Weltkrieg selbst eine bildungsbürgerliche Rezeption, indem er das Werk in eine katholische Theatertradition stellte und ihm eine konservative Ehe-Moral zuschrieb. Schließlich verwendet Kleie den Begriff ‚Spektakel‘ auch als ästhetische Kategorie zur Analyse des Librettos und zeigt an den ‚Binnenspektakeln‘ innerhalb der Oper, insbesondere der Rosenübergabe-Szene, auf, wie die Schaulust darin durch illusionistische Effekte befriedigt wird.

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Linda Puccioni: Farbensprachen. Chromatik und Synästhesie bei Hugo von Hofmannsthal. Würzburg: Königshausen & Neumann 2019. (Phil. Diss. München 2018)
[247 S., ISBN: 978-3-8260-6830-0, 24,00 €]

Die Dissertation befasst sich mit Hofmannsthals poetologischer Reflexion von Farben und deren Verwendung in seinen Prosatexten. Linda Puccioni vertritt die These, dass Hofmannsthal in Folge seiner Auseinandersetzung mit kunstgeschichtlichen und wahrnehmungstheoretischen Schriften, insbesondere aber mit Goethes Farbenlehre nach 1900 eine neue ‚Poetik der Farben‘ entwickelt. Seien Farben von ihm im Frühwerk noch ‚deskriptiv‘ verwendet worden, so dienten sie von der Sommerreise an als Mittel für die synästhetische Gestaltung ‚innerer Erlebnisse‘ bzw. die ‚Übersetzung sinnlicher Erfahrungen‘. Längere Einzelanalysen widmen sich unter dieser Perspektive den Briefen des Zurückgekehrten, der Erinnerung schöner Tage, den Augenblicken in Griechenland und der Reise im nördlichen Afrika. Im Vergleich dieser Erzählungen erkennt die Vf. eine zunehmende ‚Abstraktion‘, bei der die farblichen Differenzen in einer omnipräsenten Lichtsymbolik aufgehoben werden.

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Michael Woll: Hofmannsthals „Der Schwierige“ und seine Interpreten. Göttingen: Wallstein Verlag 2019. (Phil. Diss. Osnabrück, 2016/2017)
[435 Seiten, ISBN: 978-3-8353-3385-7, 45,00 €]

Die Dissertation von Michael Woll verbindet eine Neuinterpretation des „Schwierigen“ mit einer kritischen Reflexion der Deutungsgeschichte des Werkes, das von Kritikern und Germanisten stets als eines von Hofmannsthals gelungensten, ja als eine der bedeutendsten deutschen Komödien bewertet wurde. Als Komödie kann „Der Schwierige“, so Woll, allerdings nur dann gelten, wenn man die poetologischen Aussagen Hans Karls als Wiedergabe von Hofmannsthals eigenem Komödienverständnis liest. Tatsächlich – so die Pointe seiner Interpretation – ist die Figur Hans Karl im Stück aber keine normative Instanz und die Gattungszuschreibung daher perspektivisch gebrochen, was als Merkmal der Modernität des Stückes angesehen werden kann.

Vor diesem Hintergrund untersucht der Verfasser in den folgenden Kapiteln seiner Studie die umfangreiche Rezeptions- und Forschungsgeschichte, von den Anfängen bei Max Kommerell und Grete Schaeder über die sich ab den fünfziger Jahren herausbildende Autorenforschung bis zu poststrukturalistischen Arbeiten aus der Gegenwart. Er fragt, welchen Einfluss Hofmannsthals Selbstaussagen und die frühen Rezensionen auf die germanistische Interpretation hatten, und ebenso nach der Bedeutung der Editionen für die Historisierung und Kanonisierung (nicht nur) dieses Werkes Hofmannsthals. Ausführlich geht er in diesem Zusammenhang auch auf die Rolle der Hugo von Hofmannsthal-Gesellschaft ein, mit deren Gründung im Jahr 1968 die Autorenforschung institutionalisiert wurde.

Inhaltsverzeichnis


2018


Klaus von Schilling: Abschied vom Trauerspiel. Kunsttheoretische Überlegungen zu Hofmannsthal. Würzburg: Königshausen & Neumann 2018.
[520 Seiten, ISBN: 978-3-8260-6526-2, 49,80 €]

In seiner über 500 Seiten umfassenden Studie versucht Klaus von Schilling, das Tragische bei Hofmannsthal in einer primär kunsttheoretischen Perspektive zu bestimmen, und geht dabei zugleich der allgemeineren Frage nach der Transformation der Tragödie in der Moderne nach. Als theoretischer Rahmen dienen ihm dabei die Tragödientheorie Nietzsches sowie Walter Benjamins Deutung des barocken Trauerspiels. Vor diesem Hintergrund deutet der Verfasser Hofmannsthals ‚große‘ Dramen – im Zentrum der Untersuchung stehen Das gerettete Venedig, Elektra, Ödipus und die Sphinx und Der Turm – als Versuche, den Formtypus der Tragödie zurückzugewinnen, ohne die für die (späte) Moderne charakteristische und in Hofmannsthals lyrischen Dramen bereits vollzogene Wendung zur ästhetischen Selbstreflexivität­­­­ aufzugeben. Von der antiken, barocken und klassischen Tragödie seien auch die ‚großen‘ Dramen durch die ‚artistische Einstellung‘ getrennt. Anders als noch bei Schiller seien Freiheit und selbstbestimmte Subjektivität in Hofmannsthals Tragödien kein Postulat mehr, blieben jedoch als Idee präsent, indem sie zum Gegenstand einer (melancholischen) ästhetischen Reflexion würden.

Inhaltsverzeichnis des Bandes


2017


Olaf Enderlein: Die Entstehung der Oper „Die Frau ohne Schatten“ von Richard Strauss. Frankfurt a.M., Bern, Wien: Peter Lang 2017. (Phil. Diss. FU Berlin 2014.)
[811 Seiten, ISBN: 978-3-631-67307-2, 115,95 €]

Der Band rekonstruiert die von 1910 bis 1917 reichende Entstehungsgeschichte der 1919 uraufgeführten Oper «Die Frau ohne Schatten» von Richard Strauss und Hugo von Hofmannsthal. Anhand neu aufgefundener Quellen war es möglich, die Arbeitsweise von Strauss zu beschreiben und eine Systematik der Kompositionsskizzen zu erstellen. Die detaillierte Rückverfolgung der Werkgenese umfasst die Eingriffe von Strauss in Hofmannsthals Libretto, eine Klassifikation der einzelnen Skizzentypen sowie eine Darstellung des vielschichtigen Kompositionsprozesses auf der Grundlage der Kompositionsstadien. Die Präsentation des Monologs der Kaiserin im III. Akt in seiner ursprünglichen, durchkomponierten Fassung bietet eine zusammenfassende Erläuterung der Kompositionsweise von Richard Strauss.

Inhaltsverzeichnis des Bandes


Hugo von Hofmannsthal: Herausgebertätigkeit. Hrsg. von Donata Miehe, Catherine Schlaud, Ellen Ritter und Katja Kaluga. Frankfurt a.M.: S. Fischer 2017. (Sämtliche Werke XXXVI)
[1.528 S., ISBN: 978-3-10-731540-6, 298,00 €]

Der Band dokumentiert erstmals vollständig Hugo von Hofmannsthals Arbeit als Herausgeber.

Ab 1907 trat Hofmannsthal als Herausgeber von Anthologien, Almanachen, Buchreihen und Zeitschriften in erscheinung. Seine Bemühungen um heute als kanonisch geltende Texte der deutschen Literatur, die für ihn nach dem Ende des Ersten Weltkriegs zunehmend zur traditionsbildenden Instanz wurden, stehen gleichberechtigt neben der Herausgabe zeitgenössischer Texte, denen er v.a. in seiner Zeitschrift ›Neue Deutsche Beiträge‹ (1922-27) ein lebendiges Forum gab. Der Band dokumentiert Hofmannsthals Engagement für knapp 30 Editionsprojekte anhand von Notizen und Korrespondenzen, die nicht zuletzt sein Interesse an verlagspraktischen und buchtechnischen Fragen bezeugen.

Auszüge aus dem Band (Titelei, Inhaltsverzeichnis)


2016


Richard Strauss: Späte Aufzeichnungen. Hrsg. von Marion Beyer, Jürgen May und Walter Werbeck. Mainz u.a. 2016 (Veröffentlichungen der Richard-Strauss-Gesellschaft, Bd. 21).
[464 S., ISBN 978-3-7957-1092-7, 59,00 €]

Richard Strauss hat in den 1930er und 1940er Jahren 16 Hefte mit memoirenartigen Aufzeichnungen angelegt. Die Texte umfassen autobiographische Notizen ebenso wie Gedanken zur europäischen Kultur- und Musikgeschichte und zur Zeitgeschichte, Ausführungen zu den Auswirkungen der politischen Ereignisse (Nationalsozialismus und 2. Weltkrieg) auf die abendländische Kultur sowie Gedanken zur Zukunft der Musik im Nachkriegsdeutschland und -europa. Im Rahmen eines DFG-Projekts wurden die Texte erstmals kritisch ediert und kommentiert. Die gemeinsam mit Hofmannsthal entstandenen Werke werden an vielen Stellen erwähnt.


Hugo von Hofmannsthal, Richard Strauss: Der Rosenkavalier. Textfassungen und Zeilenkommentar. Hrsg. von Dirk O. Hoffmann in Zusammenarbeit mit Ingeborg Haase und Artur Hartlieb-Wallthor. Aquarelle von Friederika Richter. Wien: Hollitzer 2016.
[280 S., ISBN 978-3-99012-348-5, 39,90 €]

Durch den Paralleldruck der Fassungen ermöglicht der Band erstmals einen direkten Vergleich zwischen dem Text der Buchausgabe (S. Fischer Verlag 1911) und dem Libretto (Adolph Fürstner [1910]). Ferner bietet er unter Berücksichtigung der lange unbekannten frühesten Szenarien, die Harry Graf Kessler in seinen Tagebüchern fixierte, sowie der in der Folge entstandenen Hofmannsthalschen Niederschriften und daraus resultierender Typoskripte einen ausführlichen Überblick über die Entstehung der Oper. Worterklärungen sowie ein ausführlicher Zeilenkommentar mit Nachweisen der historischen, literarischen und musikalischen Vorbilder schließen sich an.

Vgl. auch das weiterführende Material (u.a. Scans der Erstdrucke) auf der Webseite des Herausgebers Dirk O. Hoffmann.


Hofmannsthal-Handbuch. Leben – Werk – Wirkung. Hrsg. von Mathias Mayer und Julian Werlitz. Stuttgart: J.B. Metzler 2016.
[416 S., ISBN: 978-3-476-05407-4, 89,95 €]

Das Handbuch führt vor dem Hintergrund ideen- und kulturgeschichtlicher Kontexte in Hofmannsthals Leben und Werk, sein Umfeld und seinen Wirkungskreis ein. Grundlage der Analysen und Betrachtungen ist die weitgehend abgeschlossene kritische Werkausgabe, wobei auch die umfangreiche Forschungsliteratur ausgiebig gewürdigt wird. Exemplarisch vorgestellt werden nicht nur die Hauptwerke, sondern auch zahlreiche weniger bekannte Nachlasstexte. Vgl. das Vorwort, das Inhaltsverzeichnis und ein Beispielkapitel.


Michael Reynolds: Creating Der Rosenkavalier. From Chevalier to Cavalier. Woodbridge: The Boydell Press 2016.
[263 S., ISBN 978-1-78327-049-1, £ 50,00]

Die Studie untersucht erstmals die Abhängigkeit der wohl berühmtesten Hofmannsthal-Strauss-Oper von einem heute gänzlich vergessenen Prätext. Harry Graf Kessler, der „verborgene“ dritte Autor des „Rosenkavalier“, verfolgte im Winter 1907 in Paris die Aufführung der Operette „L’Ingénu libertin“ von Louis Artus. Dieses bislang unbeachtet gebliebene Werk ist zweifellos eine der wichtigsten Quellen des „Rosenkavaliers“, dessen Handlung und Personal von der Forschung traditionell auf sehr viel ältere französische Werke zurückgeführt wurden. Damit zeigt Michael Reynolds Hofmannsthals und Strauss’ größten Opernerfolg in völlig neuem Licht. Detailliert und kenntnisreich erläutert er anhand von unbekanntem Material, welche wesentlichen Elemente Kessler und Hofmannsthal aus dem „Ingénu libertin“ in ihr gemeinsames Werk übernahmen und diesem anverwandelten. Wie Hofmannsthal, angeleitet und unterstützt von Kessler, dem Libretto anverwandelte, zeichnet Reynolds detailliert nach. So erfährt auch Kesslers Anteil am gemeinsamen Werk eine neue Bewertung.


Martin Urmann: Dekadenz. Oberfläche und Tiefe in der Kunst um 1900. Wien, Berlin: Turia + Kant 2016. (Phil. Diss. FU Berlin 2014) [711 S., ISBN-10: 3851328140, 42,00 €]

Der Berliner Romanist Martin Urmann wählt den Begriff der Décadence als Kriterium eines umfassenden literatur-, kunst- und musikgeschichtlichen Vergleichs sowie der interkulturellen wie ästhetischen Verflechtungen zwischen Pariser und Wiener Moderne. Nach einer Markierung der Ursprünge der Dekadenz in der Duplizität von Apollinischem und Dionysischem in Nietzsches Tragödienschrift ist der Ausgangspunkt der Untersuchung im Zeichen einer Dezentrierung des Subjekts die späte Lyrik Mallarmés als Ort einer Sprache der im Spiel mit sich selbst erzeugten Resonanzen. Die Wien-Kapitel befassen sich vor allem mit Schnitzler, Hofmannsthal und Klimt. Hofmannsthals Frühwerk liest Urmann als Akzentverschiebung von einer längst formelhaften, zitierten Décadence zu einem nicht endenden „Vermittlungsprozess im offenen Zentrum des Sinns“. Vgl. das Inhaltsverzeichnis.


Hugo von Hofmannsthal: Briefwechsel mit Marie von Thurn und Taxis-Hohenlohe. 1903-1929. Mitgeteilt und kommentiert von Klaus E. Bohnenkamp. Freiburg/Br.: Rombach 2016. [324 S., ISBN-10: 3793098486, 38,00 €]

Unter den Frauen, mit denen Hofmannsthal in Briefaustausch stand, nimmt Fürstin Marie von Thurn und Taxis-Hohenlohe (1855–1934) eine besondere Stellung ein. Der Umgang mit ihr, die als mütterliche Freundin Rilkes bekannt geworden ist, verschafft ihm den einzig geglückten Zugang zur Hocharistokratie, den er von Jugend an gesucht hat. Die 102 überlieferten Nachrichten aus den Jahren 1903 bis 1929, eingeleitet durch eine biographische Skizze der Fürstin, sind Zeugnisse eines sehr persönlichen Dialogs, der, ergänzt um zahlreiche gedruckte und ungedruckte Dokumente, neue Schlaglichter auf Ereignisse und Entwicklungen in beider Leben und Schaffen wirft und beispielhaft das weite Beziehungsgeflecht einer geistig-politischen Elite des alten Europas ausleuchtet.


2015


Dorothée Treiber: Hugo von Hofmannsthals Elektra. Eine quellenbasierte Neuinterpretation. (Heidelberger Beiträge zur deutschen Literatur 20). Frankfurt a.M.: Peter Lang 2015. (Phil. Diss. Heidelberg 2013) [552 S., ISBN 978-3-631-66260-1, 94.95 €]

Die umfangreiche Studie entwickelt die These, dass Hofmannsthal Elektra nicht als Hysterikerin im Sinne von Breuers und Freuds Studien über Hysterie, sondern als Fall eines sexuellen Kindesmissbrauchs gestaltet habe. Die Figur weise Symptome einer ‚posttraumatischen Belastungsstörung‘ auf, die Folge einer im Dramentext angedeuteten Vergewaltigung durch Ägisth sei. Die Verfasserin stützt ihre These dabei auf ähnliche medizinisch-pathologische Fallbeschreibungen bei Ambroise Tardieu oder Richard von Krafft-Ebing sowie auf zeitgenössische Berichte von Kindesmisshandlungen, geht aber auch möglichen literarischen Einflüssen bzw. Vorbildern der literarischen Darstellung von Missbrauchsfällen nach, etwa in Shelleys Drama The Cenci oder in Erzählungen von Ferdinand von Saar oder Guy de Maupassant.

Inhaltsverzeichnis des Bandes


Sabine Straub: Zusammengehaltener Zerfall. Hugo von Hofmannsthals Poetik der Multiplen Persönlichkeit. Würzburg: Königshausen & Neumann 2015. [421 S., XXXIII S., 58,00 €]

Die Verfasserin nimmt eine Neulektüre von Hofmannsthals Werk unter einem psychiatrischen Gesichtspunkt vor, den sie poetologisch nutzbar macht: Das Identitätskonzept der ‚multiplen Persönlichkeit‘ findet eine Entsprechung in multipler Autorschaft, die sich in einer spezifischen Fragmentästhetik kristallisiert. Experimente der Ich-Dissoziation und -Rekombination im Zuge existenzieller psychophysischer Grenzerfahrungen wie etwa des intensiven Evidenzerlebens an der Schwelle zwischen Leben und Tod treiben das künstlerische Schaffen demnach erst an. Die Monographie schließt produktiv an frühere Studien zu Hofmannsthals Halbschlafbildern an. Dabei weist die Verfasserin nach, dass Hofmannsthal zeitgenössische Suggestionstheorien rezipiert hat, etwa die Symboltheorie Herbert Silberers oder die quasi-poetologische Studie des US-Psychiaters Morton Prince „The Dissociation of a Personality“. Anhand des „Andreas“-Fragments wird gezeigt, wie ‚multiplikatorisches‘ als fragmentarisches Schreiben funktioniert. Dabei diskutiert die Verfasserin eine textgenetisches Edition von Hofmannsthals wichtigstem Prosafragment. Vgl. das Inhaltsverzeichnis.


Alice Bolterauer: Zu den Dingen. Das epiphanische Ding-Erlebnis bei Musil, Rilke und Hofmannsthal. Wien: Praesens-Verlag 2015. [169 S., 21,40 €]

Die Hinwendung zu den Dingen ist nach Auffassung der Autorin Kompensation der krisenhaften Welterfahrung um 1900. Die Empfindungsfähigkeit sei auf diese Weise neu geschärft und die Transformation von Dingen in oder durch Sprache angestoßen worden. Ein neues Sehen, eine neue Sensibilität und eine aporetische Sprache des Unsagbaren mussten entdeckt und erlernt werden; eine eindeutige Zuordnung der Dinge zu ‚Natur‘ versus ‚Kultur‘ sei nicht möglich. Die Epiphanie des Ding-Erlebnisses wird u.a. anhand von Hofmannsthals „Briefen eines Zurückgekehrten“ veranschaulicht. Ein Ausblick auf Texte von Peter Handke, Francis Ponge und Gertrude Maria Grossegger beschließt den Band.


Adrian Kech: Musikalische Verwandlung in den Hofmannsthal-Opern von Richard Strauss. München: Allitera 2015. (Phil. Diss. München 2013) [660 S., 68,00 €]

Verwandlung ist eines der zentralen Themen im Bühnenschaffen von Hugo von Hofmannsthal und Richard Strauss. „An dem Verlorenen festhalten, ewig beharren, bis an den Tod – oder aber leben, weiterleben, hinwegkommen, sich verwandeln, die Einheit der Seele preisgeben, und dennoch in der Verwandlung sich bewahren“, so umreißt Hofmannsthal Mitte Juli 1911 im sogenannten Ariadne-Brief an den Komponisten den Grundgedanken. Wie aber spiegelt sich das vom Dichter Beschriebene in Strauss’ Musik? Adrian Kechs Dissertation behandelt diese Frage erstmals umfassend, und zwar nicht nur für „Ariadne auf Naxos“, sondern auch für die anderen gemeinsamen Opern „Elektra“, „Der Rosenkavalier“, „Die Frau ohne Schatten“, „Die ägyptische Helena“ und „Arabella“. Musikalische Analysen zeigen, wie Strauss die von Hofmannsthal dichterisch ausgeführte Verwandlungsthematik kompositorisch realisiert hat. Vgl. das Inhaltsverzeichnis.


Hugo von Hofmannsthal: Aphoristisches, Autobiographisches, Frühe Romanpläne. Hrsg. von Ellen Ritter †. Frankfurt a.M.: S. Fischer 2015. (Sämtliche Werke XXXVI) [567 S., 184 €]

»Die Tiefe muß man verstecken. Wo? An der Oberfläche.« Dieses Credo Hofmannsthals, ein Beispiel aus 547 Reflexionen, Sprichwörtern und Anekdoten über Kunst, Geist, Politik oder Liebe, entstammt dem ›Buch der Freunde‹. Ursprünglich als Privatdruck geplant, wurde es zu einer der bedeutendsten Aphorismensammlungen des 20. Jahrhunderts. Mit ›Ad me ipsum‹, einem Konvolut aus Selbstzitaten und Notizen, wollte Hofmannsthal die Grundlage zu einer adäquaten Interpretation seines Gesamtwerks schaffen. Autobiographisch angelegt sind auch die frühen Romanpläne, in denen er seinen gesellschaftlichen Kreis der 1890er Jahre – Familie, Freunde, die Dichter des ›Jungen Wien‹ und das jüdische Großbürgertum der Ringstraßenzeit – charakterisiert.

Auszug aus dem Buch (Titelei, Register, Inhaltsverzeichnis)

Rezension von Shu Ching Ho auf IASL online


Hugo von Hofmannsthal: Reden und Aufsätze 1. Hrsg. von Hans-Georg Dewitz, Olivia Varwig, Mathias Mayer, Ursula Renner und Johannes Barth. Frankfurt a.M.: S. Fischer 2015. (Sämtliche Werke XXXII) [1134 S., 214 €]

Hofmannsthals Sensibilität für moderne Literatur und bildende Kunst, die in seiner kritischen Prosa der 1890er Jahre zum Ausdruck kommt, war ganz außergewöhnlich. Der junge Hofmannsthal, schrieb Hermann Bahr 1892, suchte nicht »nach abgegrasten Phrasen« und »Schlagworten der Schulen«, sondern er trug »die ganze Zeit … in seinem Geiste«. Die Fähigkeit, seine Lektüren vor dem Hintergrund von Schopenhauer und Nietzsche als Ausdruck zeitgenössischen Denkens zu fassen, die Konfrontation von Kunst und Leben, von Naturalismus und Ästhetizismus und die kritische Reflexion der Sprache lange vor dem Chandos-Brief von 1902 machen diese Arbeiten noch heute zu einer spannenden Lektüre.

Auszug aus dem Buch (Titelei, Register, Inhaltsverzeichnis)


Alexander Mionskowski: Souveränität als Mythos. Hugo von Hofmannsthals Poetologie des Politischen und die Inszenierung moderner Herrschaftsformen in seinem Trauerspiel „Der Turm“ (1924/25/26). Wien: Böhlau 2015. (Literaturgeschichte in Studien und Quellen 23) [701 S., 98.00 €]

„Geistige Souveränität – sieht die Welt von oben“. In dieser Notiz formuliert sich nach dem Ersten Weltkrieg Hofmannsthals Anspruch, die Konflikte des gesellschaftlichen Umbruchs literarisch zu bewältigen; d.h. mit der Autorität solchen Überblicks eine Morphologie politischer Formen vorzunehmen, deren Ursprung im Sprachlich-Imaginären er zugleich voraussetzte. Ziel der Studie ist es daher, insbesondere jene philosophisch-kulturgeschichtlichen Konstellationen im mythopoetischen Denken des Autors zu rekonstruieren, aus welchen „Der Turm“ entstand. Mit textgenetischer Perspektive wird dann der politische Gehalt dieses düsteren Welttheaters der Moderne in seinen Bezügen zur Kunstphilosophie Benjamins, zur politischen Theologie Schmitts und zur Soziologie Max Webers erschlossen. Vgl. das Inhaltsverzeichnis.


Konstanze Heininger: „Ein Traum von großer Magie“. Die Zusammenarbeit von Hugo von Hofmannsthal und Max Reinhardt. München: Utz 2015. [49,00 €]

„Wäre Max Reinhardt nicht auf der Welt, müßte sich vieles in meiner Existenz anders einrichten“, so schreibt Hugo von Hofmannsthal im August 1911. Mit der Uraufführung der „Elektra“ 1903 begann eine Zusammenarbeit, die nicht nur für Hofmannsthals schriftstellerische Existenz bedeutend war, sondern in gleichem Maße die künstlerische Tätigkeit des Regisseurs Reinhardt beeinflusste – und darüber hinaus das deutschsprachige Theater ihrer Zeit. In den folgenden Jahren entstanden Inszenierungen zahlreicher Werke Hofmannsthals, von „König Ödipus“ über „Der Schwierige“ oder die Opern „Der Rosenkavalier“ und „Ariadne auf Naxos“ bis zum „Salzburger Großen Welttheater“ und „Jedermann“. Ein weiteres Resultat der gemeinsamen Arbeit sind die Salzburger Festspiele, die es ohne die glückliche Begegnung in ihrer heutigen Form nicht geben würde. Ausgehend von den Jugendjahren beider Männer stellt diese Untersuchung das Wesen der kongenialen Zusammenarbeit dar, von ihren theoretischen Grundlagen bis zu deren gemeinschaftlicher Verwirklichung.


2014


Carina Heer: Gattungsdesign in der Wiener Moderne. Traditionsverhalten in Dramen Arthur Schnitzlers und Hugo von Hofmannsthals. München 2014.

Die Erlanger Dissertation belegt das diffizile Verhältnis von ästhetischer Tradition und Innovation bei Schnitzler und Hofmannsthal mit dem Begriff ‚Traditionsverhalten‘, unterstellt also eigentlich ein praxeologisches Verhältnis dieser Autoren zu den eingeführten literarischen Gattungen. Als Fallbeispiele diskutiert werden jeweils mit Rekurs auf das vorherrschende ‚Gattungsdesign‘ „Gestern“ (Proverbe dramatique), „Der Tor und der Tod“ (Totentanz), „Elektra“ (Tragödie), „Jedermann“ (Morality play) und „Xenodoxus“ (Jesuitendrama). Der Leser müsse den jeweiligen Gattungsbezug (er)kennen, Hofmannsthal bewege sich zwischen einem Spiel mit der Tradition, „traditionsadäquater Aneignung und rein ästhetizistischer Nutzung“.


Katharina Meiser: Fliehendes Begreifen. Hugo von Hofmannsthals Auseinandersetzung mit der Moderne. Heidelberg 2014.

Hellsichtig beobachtete Hugo von Hofmannsthal die gesellschaftlichen Veränderungen seiner Zeit – und wollte daraus Konsequenzen ziehen: für das ‚positionslose’ Individuum genauso wie für den ‚marginalisierten‘ Künstler und die ‚seelenlose’ Gesellschaft. Vor dem Hintergrund eines gesellschaftsgeschichtlichen Modernebegriffs rekonstruiert die Arbeit seine Auseinandersetzung mit diesen drei Themenkomplexen. Hermeneutische Analysen sowohl prominenter als auch weniger bekannter Dramentexte, Essays und Reden bieten einen repräsentativen Querschnitt vom ‚Tod des Tizian‘ bis zur Rede ‚Das Schrifttum als geistiger Raum der Nation‘. In Summe zeigen sie erstmals systematisch, dass Offenheit, Ambivalenz und Heterogenität als Strukturmerkmale des Hofmannsthalschen Werks Folge seines gedanklichen Ringens mit Grundfragen der modernen Gesellschaft sind. Sein Oszillieren zwischen Anerkennung der Moderne und dem Wunsch nach ihrer Revision lässt eine fixe Stellungnahme nicht zu. Seine Positionierungsoptionen für Individuum, Künstler und Gesellschaft sind vorläufig und fragil.


Margarete Fuchs: Der bewegende Blick. Literarische Blickinszenierungen der Moderne. Freiburg i. Br. u.a. 2014.

Die Marburger Dissertation unterscheidet zwischen Sehen (als Wahrnehmung, Perzeption, stets auch Deutung und Wirklichkeitskonstitution) sowie dem Blick (als Körperausdruck auf Gegenseitigkeit, der eine weitreichende „Funktion innerhalb kultureller Zusammenhänge“ einnehme). Den hiermit in der Moderne verbundenen Verunsicherungen wie auch (etwa medientechnisch induzierten) neuen Semiotisierungen geht die Monographie anhand von Texten Heinrich Manns, Hofmannsthals, Kracauers, Benjamins und Aby Warburgs nach. Unter dem Titel „Bewegter Stillstand des Augenblicks“ wird „Elektra“ als Tableau vivant gelesen, als Gleichzeitigkeit von Stillstand und Bewegung. Konstitutive Funktion habe der Augen-Blick, in dem das Verhältnis von stasis und kinesis verhandelt werde. Im Zentrum des Dramas stehe der von Klytämnestra erzählte Augen-Blick des sterbenden Agamemnon, der das Geschehen erst in Bewegung setze.


Jörg Schuster: „Kunstleben“. Zur Kulturpoetik des Briefs um 1900 – Korrespondenzen Hugo von Hofmannsthals und Rainer Maria Rilkes. Paderborn: Fink 2014. (58,00 €, als e-book 44,99 €)

Die Monographie spricht sich zugunsten einer Reästhetisierung des Briefs um 1900 aus; sie weist eine Ersetzung des Lebens durch ein ‚Kunstleben‘ im Medium der authentischen Korrespondenz nach. Als Reaktion auf die ästhetische Moderne entwickelt sich in Korrespondenzen Hofmannsthals und Rilkes eine neue Gebrauchskunst: „Das Sich-Einrichten, Sich-Arrangieren mittels Briefen mag auf den ersten Blick als eine Banalität erscheinen; bei näherem Hinsehen entpuppt es sich als spezifische Qualität der Gattung um 1900.“ Hofmannsthal nutzt sie, um sich gegen die Zudringlichkeit des Lebens in einer Überschreitung auf die Kunst zu wehren. Dass ihm Lebensflucht, Imagination, gar Selbstgespräch wichtiger sind als Dialog und wie er das Leben seiner Briefpartner poetisch umdeutet, zeigt der Band anhand der Briefwechsel mit George, Marie von Gomperz, Borchardt, Beer-Hofmman, Kessler, Karg von Bebenburg und Ottonie von Degenfeld.


Norbert Christian Wolf: Eine Triumphpforte österreichischer Kunst. Hugo von Hofmannsthals Gründung der Salzburger Festspiele. Salzburg/Wien: Jung und Jung 2014. (26,00 €)

Hofmannsthal hatte wesentlichen Anteil an den ideellen Vorbereitungen der Salzburger Festspiele; er steuerte zudem mit dem „Jedermann“ und dem „Salzburger Großen Welttheater“ Gründungstexte und Programmstücke der mit seiner Unterstützung zur Institution gewordenen Spiele bei. Wolfs Darstellung arbeitet organisatorische und kulturpolitische Voraussetzungen heraus, etwa die österreichischen Reaktionen auf den ‚Mythos Bayreuth‘ und forcierte Pläne für eine kulturelle Weltgeltung Österreichs. Eine deutschtümelnde und dem österreichischen Patriotismus dienliche Programmatik ist auch in Hofmannsthals Texten erkennbar. Der materialreiche Band zeigt aber auch, inwiefern das Festspielprojekt hinsichtlich der Dramenproduktion auf eine Aufhebung der „Entwicklungsdynamik des Dramas in der ästhetischen Moderne“ hinwirkte.


Teona Djibouti: Aufnehmen und Verwandeln. Hugo von Hofmannsthal und der Orient. München: Iudicium 2014. (25,00 €)

Die vor allem motivanalytische Arbeit versucht sich an einer Bestandsaufnahme oder arbeitet einer solchen, noch zu leistenden doch vor. Vor allem im Frühwerk Hofmannsthals finden sich zahlreiche Reminiszenzen an die Kultur des Orients, die Verfasserin konzentriert sich auf die lyrische Gattung des Ghasels, auf die Rezeption der Märchen aus Tausendundeiner Nacht sowie auf das Motiv des Teppichs. Dabei werden Texte wie das „Märchen der 672. Nacht“ oder „Die Frau ohne Schatten“ weitgehend textintern analysiert. Das Spätwerk kennt dann auch Bezugnahmen auf die Kulturen des Fernen Ostens. Der Ausgangspunkt Wiens gilt Hofmannsthal als „Brückenpfeiler“ zwischen Orient und Okzident.


Hugo von Hofmannsthal, Rudolf Kassner und Rainer Maria Rilke im Briefwechsel mit Elsa und Hugo Bruckmann 1893-1941. Hrsg. und kommentiert von Klaus E. Bohnenkamp. Göttingen: Wallstein 2014.
(72,90 €, als e-book 57,99 €)

Die Münchner Salonnière Elsa Bruckmann (1865-1946), geborene Prinzessin Cantacuzène, eine der „faszinierendsten Gestalten der Münchner Gesellschaft in der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts“, und ihr Ehemann, der Kunstverleger Hugo Bruckmann (1863-1941), boten den Künstlern der Moderne seit den späten 1890er Jahren ein Forum der Begegnung. Berüchtigt ist die lebenslang strikt deutschnational gesinnte Elsa Bruckmann freilich dafür, dass sie 1924 Adolf Hitler in die vornehme Gesellschaft Münchens einführte und ihm bis in den Tod treu blieb. Die hier erstmals edierten Briefwechsel dokumentieren allerdings nicht nur ihre vielseitigen künstlerischen Interessen, sondern auch die jahrzehntelange Verbundenheit mit Hofmannsthal, Kassner und Rilke. Nach einem vielversprechenden Kennenlernen zwischen der unverheirateten Achtundzwanzigjährigen und dem kaum Neunzehnjährigen in Wien hält Hofmannsthal die ihm bald dämonisch erscheinende Brieffreundin auf Distanz. Alle drei Autoren sind ihr indes jederzeit intellektuell ebenbürtige Dialogpartner.


Hofmannsthal. Orte. 20 biographische Erkundungen. Hrsg. von Wilhelm Hemecker und Konrad Heumann in Zusammenarbeit mit Claudia Bamberg. Wien: Zsolnay 2014. (29,90 €)

Der Band unternimmt den Versuch, Hofmannsthals Biographie anhand der Quellen neu zu beleuchten. Ausgegangen wird nicht von der Chronologie des äußeren Lebens, sondern von den Orten, an denen Hofmannsthal gelebt und gearbeitet hat. Angefangen beim Geburtshaus in der Salesianergasse und dem Akademischen Gymnasium in Wien über künstlerisch prägende Orte wie das Café Griensteidl und das Burgtheater bis hin zu den Städten Venedig, Paris, Berlin und München machen die Autoren zentrale Konstellationen seines Lebens sichtbar. Mit Beiträgen von Claudia Bamberg, Albert Dikovich, Ilija Dürhammer, Tobias Heinrich, Wilhelm Hemecker, Konrad Heumann, Kurt Ifkovits, Katja Kaluga, Katya Krylova, David Oels, David Österle, Marco Rispoli, Katharina J. Schneider, Gerhard Schuster, Joachim Seng, Martin Stern und Reinhard Urbach. Vgl. das Inhaltsverzeichnis und die IASL-Rezension von Helmut Pfotenhauer.


2013


Antonia Eder: Der Pakt mit dem Mythos. Hugo von Hofmannsthals ‚zerstörendes Zitieren‘ von Nietzsche, Bachofen, Freud. Freiburg: Rombach 2013. (Reihe Litterae; 198) (32,80 €)

Die Monographie befasst sich mit der mythopoetischen Arbeit Hofmannsthals um 1900, der Produktion von Mythosvariationen, die letztlich auf den Zerfall der Form hinarbeiten. Repräsentation wird durch Präsenz ersetzt, die dazu korrespondierende Form ist das iterative Erzählen. In ausführlichen Lektüren von „Elektra“, „Ariadne auf Naxos“ und des „Pentheus“-Fragments, modernen Umdeutungen antiker Mythen also, zeichnet die Verfasserin die archaisierende Restitution des Mythos und den narrativen Kollaps nach, der durch eine zerstörerische Zitiertechnik vorbereitet wird. Vor allem die „Elektra“ wird detailliert als intertextuelles Produkt beschrieben. Hofmannsthals spezifische Erneuerung des Mythos ereignet sich im Einbruch von Präsenz bzw. des Numinosen in den Raum der Narration des Mythos. Damit schreiben sich Hofmannsthals Texte in das Interesse der Moderne an einer gesteigerten Gegenwart ein.


Hugo von Hofmannsthal: Aufzeichnungen. Hrsg. von Rudolf Hirsch (†) und Ellen Ritter (†) in Zusammenarbeit mit Konrad Heumann und Peter Michael Braunwarth. 2 Bände. Frankfurt a.M.: S. Fischer 2013. (Sämtliche Werke XXXVIII/XXXIX) (499 €)

Seit Anfang der 90er Jahre haben Rudolf Hirsch (1905–1996) und Ellen Ritter (1943–2011) eine kritische Edition der von Hofmannsthal überlieferten ‚Aufzeichnungen’ erarbeitet. Es handelt sich um ein umfangreiches Konvolut aus Tagebüchern sowie verstreuten Exzerpten, Reflexionen, Aphorismen, Träumen und poetischen Entwürfen, das ihm sein Leben lang als Gedankenvorrat und Merkhilfe diente. Entstanden ist so eine zweibändige, dichte Chronik mit über 2000 eigenhändigen Zeugnissen zu Hofmannsthals innerem und äußerem Leben. Ein ausführlicher Kommentar sowie ein Register zu Hofmannsthals Werken (500 Einträge) und ein kommentiertes Personenregister (3400 Einträge) erschließen den Text. Vgl. die Einführung in die Edition sowie die Leseproben.


Hugo und Gerty von Hofmannsthal – Hermann Bahr. Briefwechsel 1891-1934. Hrsg. und kommentiert von Elsbeth Dangel-Pelloquin. 2 Bände. Göttingen: Wallstein 2013. (58,00 €)

Der Briefwechsel zwischen Hermann Bahr und Hugo von Hofmannsthal ist ein herausragendes Dokument der Wiener Moderne. Er liefert die Stichworte, verhandelt die Parolen und Lektüren und kreiert den Gründungsmythos des »Jungen Wien«. Bahr setzt als Kritiker in den Feuilletons Maßstäbe, die auch heute noch gültig sind; beide Autoren sind in Reformprojekte des Theaters involviert, zu denen Hofmannsthal die Dramentexte liefert. Ihre Briefe sind ein Fundus für die Entstehung der Werke, für die zeitgenössische Literatur- und Theaterkritik und für die Geschichte des Theaters. Sie enthüllen ein riesiges Netzwerk an Beziehungen, Verstrickungen und Verwerfungen, in dem viele maßgebende Zeitgenossen versammelt sind. Durch die Integration des gleichzeitigen Briefwechsels Bahrs mit Gerty von Hofmannsthal wird das Männerduo zum Trio mit weiblicher Stimme, in dem sowohl Hofmannsthals Verlobungszeit und Ehe als auch Bahrs Interesse an Gerty von Hofmannsthal vernehmbar werden.